Interview mit Mahdis Nikou

Über starke Farben, Frauenrechte & den Iran – die Künstlerin & Illustratorin Mahdis Nikou

Mahdis Nikou ist eine im Iran geborene und im Vereinigten Königreich lebende Illustratorin. Mahdis setzt sich mit ihren mutigen und originellen Illustrationen für psychische Gesundheit, die Stärkung der Rolle der Frau und Umweltfragen ein. In letzter Zeit hat sie sich darauf konzentriert, den Stimmen der von Frauen angeführten iranischen Revolution Gehör zu verschaffen.

Ein Matona Interview

1. Kannst du uns etwas über deinen Werdegang erzählen und wie du zur Kunst gekommen bist?

Ich wurde in den 90er Jahren im Iran als eines von fünf Kindern geboren.

Seit meiner Kindheit gehörten Zeichnen, Spielen mit Knete und Kunst und Handwerk im Allgemeinen zu meinen liebsten Hobbys. In der Schule war ich nie gut in Mathe, Physik und Chemie, aber auf den Kunstunterricht freute ich mich jede Woche am meisten. Von da an war Malen für mich eine entspannende Tätigkeit und eine Möglichkeit, mich mit verschiedenen Formen, Linien und Farben auszudrücken. Das Aufwachsen mit meiner älteren Schwester und meiner jüngeren Tante, die beide leidenschaftlich kreativ waren, hatte ebenfalls einen direkten Einfluss auf meine Entscheidung, Kunst zu meinem Beruf zu machen. Nachdem ich meinen Abschluss in Grafikdesign im Iran gemacht hatte, bekam ich einen Studienplatz an einer der Kunstuniversitäten in Teheran, aber bevor ich meine erste Vorlesung besuchen konnte, hatte das Schicksal andere Pläne für mich.

Im ersten Jahr nach meiner Ankunft in Großbritannien lernte ich am College Englisch und belegte gleichzeitig einen Grundkurs in Kunst, und mit dem Diplom, das ich in diesem Kurs erhielt, schaffte ich es, am London College of Communication aufgenommen zu werden und meinen Bachelor in Grafikdesign zu machen.

Seit meinem Abschluss habe ich als Grafikdesignerin in der Kreativbranche gearbeitet, aber in den letzten Jahren habe ich mich mehr auf ausdrucksstarke Illustrationen und Kunstwerke konzentriert.

2. Sind eine bestimmte Umgebung oder ein bestimmter Werkstoff für deine Arbeit von Bedeutung?

Die meisten meiner Illustrationen sind digital und entstehen auf dem iPad mit der App Procreate. Ich arbeite aber auch mit Tusche und Acrylfarben, um originale Zeichnungen und Texturen zu erstellen, die ich dann in meine digitalen Arbeiten einfließen lasse.

3. Du bist im Iran geboren und lebst jetzt in Großbritannien. Wie wirkt sich das auf deine Arbeit aus?

Ich glaube, dass die Anpassung an eine neue Kultur und Umgebung in jungen Jahren viele Aspekte meiner Persönlichkeit und meines kreativen Denkens beeinflusst hat. Die beiden gegensätzlichen Kulturen des Nahen Ostens und Europas kommen jedes Mal ins Spiel, wenn ich Kunst mache, und es ist eher ein unbewusster als ein kontrollierter Einfluss, aber ich denke, das ist es, was meinen künstlerischen Stil auf seine Weise einzigartig macht.

4. Angesichts der aktuellen Entwicklungen im Iran wäre eine Rückkehr in deine Heimat eine unmittelbare Bedrohung für dich. Fühlst du dich in Großbritannien "im Exil" und wenn ja, was bedeutet das für dich?

Ja, auf jeden Fall. Als ich anfing, Kunst für die Woman Life Freedom-Bewegung zu machen, wurde mir schnell klar, dass ich vielleicht nie wieder in den Iran zurückkehren kann, und wenn ich es würde, wäre es ein großes Risiko und könnte schreckliche Folgen für mich und meine Familie haben. Diese Erkenntnis war am Anfang sehr stark und düster. Ich habe einige Zeit gebraucht, um das in meinem Kopf zu verarbeiten und Frieden damit zu schließen. Es war ein großes Opfer, das ich für ein größeres Ziel bringen musste: die Stimme der Iraner*innen zu sein, die für ihre Freiheit kämpfen, und ich wusste, dass ich nicht die Einzige war, die dieses Opfer brachte. Jede/r einzelne Iraner*in in der Diaspora, die/der dem iranischen Volk eine Stimme gibt, sitzt im selben Boot. Obwohl es mir schwer fällt, mein Exil zu akzeptieren, hilft mir die Hoffnung, dass sich die Dinge eines Tages ändern werden und ich vielleicht in den Iran zurückkehren kann, ohne um mein Leben fürchten zu müssen. Ohne die Hoffnung auf eine bessere Zukunft könnte ich nicht tun, was ich tue. Der Glaube daran, dass der Iran eines Tages frei sein wird und das Exil nur vorübergehend ist, ist alles, was ich tun kann, um motiviert und positiv zu bleiben.

5. Deine Arbeit umfasst persönliche und gemeinschaftliche Projekte zu den Themen psychische Gesundheit, weibliche Emanzipation und Umweltkunst. Mit dem Beginn der neuen, von Frauen geführten Revolution im Iran im September 2022 hat sich dein Fokus darauf verlagert, die Stimmen der Iranerinnen und Iraner, die für ihre Freiheit kämpfen, zu stärken. Was sind wiederkehrende Themen in deinen Illustrationen?

Ich denke, das Hauptthema meiner Illustrationen ist der Ausdruck und die Visualisierung von Gefühlen, die uns die verschiedenen Erfahrungen im Leben vermitteln. Ich zeichne gerne starke Gefühle, vor allem weil es mir hilft, meine eigenen Emotionen zu verstehen und Frieden mit ihnen zu schließen. Ich möchte aber auch zeigen, dass, obwohl manche Gefühle dunkel und unangenehm sein können, in allem, was wir im Leben erfahren, Schönheit und Wachstum zu finden sind.

Normalerweise verbinde ich Selbstdarstellung mit Themen, die mit Frauenrechten zu tun haben, weil ich selbst eine tiefe Beziehung zu diesem Thema habe. Als iranische Frau, die die ersten 18 Jahre ihres Lebens unter der Herrschaft einer religiösen Diktatur in einer besonders frauenfeindlichen Umgebung verbracht hat, habe ich das Gefühl, dass ich diese Themen mit Leben füllen und anderen auf visuelle und überzeugende Weise vermitteln kann.

6. Gibt es sonst noch etwas, das du uns mitteilen möchtest?

Auch wenn der "Hype" um die aktuellen Geschehnisse im Iran in den westlichen Medien nachgelassen hat (wie alle Nachrichten, die als Trend auftreten und nach einer Weile wieder verschwinden), kämpfen die Menschen im Iran immer noch für ihre Freiheit und ihre grundlegenden Menschenrechte, auch wenn wir sie vielleicht nicht mehr so oft in den Nachrichten sehen.

Überall im Iran kämpfen die Menschen mit Hoffnung und gewaltlosem Widerstand. Dies geschieht in verschiedenen Formen im ganzen Land, zum Beispiel: Sie weigern sich, den Hijab zu tragen, obwohl dies mit hohen Geldstrafen, Verhaftung, Gefängnis und Peitschenhieben geahndet wird. Oder sie versammeln sich in kleinen Gruppen und organisieren friedliche Proteste, um sich mit denjenigen zu solidarisieren, die ihr Leben im Kampf für ihre Freiheit im Iran verloren haben. Man sieht Männer, die in den Straßen Irans spazieren gehen oder am Arbeitsplatz den Hijab tragen, um ihre Solidarität mit den iranischen Frauen zum Ausdruck zu bringen; andere setzen sich für Frauen ein, die auf der Straße von der Sittenpolizei oder ihren Anhängern wegen ihres "unangemessenen Hijabs" belästigt werden. Darüber hinaus fanden im ganzen Iran mehrere landesweite Streiks statt, um gegen die derzeitige Situation zu protestieren.

Diese kulturellen Veränderungen zeigen, dass die von Frauen angeführte iranische Revolution ihre Wurzeln ausweitet und ihre Fundamente in verschiedenen Gemeinschaften mit unterschiedlichen Mentalitäten innerhalb des Landes stärkt, und dass die Menschen neue Wege finden, der Diktatur zu widerstehen und sich zu wehren.

Bitte zeigt weiterhin eure Solidarität mit den mutigen Menschen im Iran auf jede erdenkliche Weise und wir hoffen, euch eines Tages in unserem schönen Land begrüßen zu dürfen, um euch unsere bunte und fröhliche Kultur ganz ohne Angst zu zeigen.

Danke für dieses spannende Interview!

Wenn ihr noch mehr von Mahdis sehen wollt, schaut doch auf ihrem Instagram Profil @mahdisnikou vorbei, oder auch auf ihrer Homepage www.mahdisnikou.co.uk